Wir fordern eine grundlegende Reform des materiellen und vor allem des prozessualen Verfahrensrechts in Kindschaftsverfahren.
Im materiellen Kindschaftsrecht ist die Ausrichtung der Regelungen des BGB an überholten Familienmodellen zu beheben. Die Auftrennung elterlicher Verantwortung in die Bereiche Umgangs- und
Sorgerecht lenkt von der einheitlichen Verantwortung der Eltern für das Wohl ihrer Kinder ab. Gleichzeitig gilt es, eine Einbeziehung beider Eltern in alle Bereiche elterlicher Verantwortung als
Recht, aber auch als Pflicht fest zu schreiben. Dabei muss auch der Anspruch
des hauptbetreuenden Elternteils auf Entlastung durch Übernahme von Betreuung durch den anderen Elternteil hinreichend klar gesetzlich verankert werden.
Im Verfahrensrecht genügt das FamFG in Kindschaftssachen derzeit den hohen Ansprüchen an die hier behandelten Fälle nicht. Die Wahrnehmung durch betroffene Eltern des Verfahrens als oft
willkürlich und intransparent, ist derzeit zu häufig nicht als unbegründet von der Hand zu weisen. Es gilt, insbesondere ein Verfahrensrecht zu schaffen, welches eine transparente,
rechtsstaatlich nachvollziehbare, qualitativ hochwertige und bundesweit einheitliche Rechtsprechung
ermöglicht.
- Hierfür ist eine Fortbildungspflicht für Familienrichter unter besonderer Berücksichtigung interdisziplinärer und insbesondere kinder- und jugendpsychologischer Bezüge zwingend zeitnah
umzusetzen. Gleichzeitig gehört das Familienrecht und insbesondere das Kindschaftsrecht fest in die juristische Ausbildung zum ersten und zweiten Staatsexamen etabliert.
- Genauso ist sicherzustellen, dass die fachanwaltliche Ausbildung die besondere Verantwortung des Anwaltes im Kindschaftsrecht und auch die interdisziplinären Aspekte des Kindschaftsrechts
ausreichend abbildet.
- Die Besetzung der Familiengerichte sollte der besonderen Tragweite der inhaltlichen Regelungen für das gesamte Leben der betroffenen Kinder und Erwachsenen entsprechen. Dies ist aktuell nicht
der Fall. Die gesetzliche Besetzung von Gerichten spiegelt sowohl in ihrer Größe als auch in ihrem instanziellen Stellenrang die Wichtigkeit des behandelten Stoffes. In Zivilsachen sind Werte
über 5000 EUR grundsätzlich keine Zuständigkeit der Amtsgerichte mehr, sondern werden vor einer mit drei Berufsrichtern besetzten Kammer des Landgerichtes behandelt.
- Im Strafrecht sind es Fälle, deren zu erwartender Strafrahmen 4 Jahre Freiheitsstrafe übersteigt oder die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Institut zu erwarten ist (§
24 I Nr. 2 GVG). Bei einem zu erwartenden Strafrahmen von mehr als 2 Jahren ist beim Amtsgericht die mit einem Berufsrichter und zwei Schöffen besetzte Strafkammer zuständig (§ 28 GVG). Die
kindschaftsrechtlichen Verfahren mit ihren schweren, schicksalhaften und den Lebensweg langfristig prägenden Entscheidungen werden dagegen vom Einzelrichter am Amtsgericht geführt, dessen einzige
Qualifikationsvoraussetzung hierfür eine einjährige Tätigkeit als Proberichter ist (§ 23b III Satz 2 GVG). Wir fordern deshalb die Schaffung von erstinstanzlichen Kindschaftskammern, welche
Kindschaftsverfahren, besetzt mit drei Berufsichtern, entsprechend ihrer schicksalhaften Wichtigkeit bearbeiten können.
- Der Zugang zum BGH ist für Kindschaftssachen nahezu verschlossen. Als Folge des durch § 70 FamFG hergestellten Endes des regelmäßigen Instanzenzuges bei den OLGs ist in Deutschland ein
Fleckenteppich aus sich massiv unterscheidenden Rechtsprechungen im Kindschaftsrecht entstanden, welche dem Anspruch des Grundgesetzes nach einheitlichen Lebensverhältnissen gerade im Rahmen des
gem. Art 6 GG besonders geschützten Familienlebens widerspricht. Wir fordern daher die Abänderung des § 70 FamFG dahingehend, dass in Kindschaftsverfahren die Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH
eingeführt wird.
- Die durch § 57 FamFG festgelegte Unangreifbarkeit einstweiliger Umgangsentscheidungen beim Amtsgericht ist schnellstmöglich zu beseitigen. Da einstweilige Umgangsentscheidungen den Ausgang
der Verfahren meist faktisch vorwegnehmen, ist die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde zum OLG hier zu eröffnen.
Danke schön für diese Einschätzung an Matthias Bergmann, Spezialist für Sorge-
und Umgangsrecht, Hamburg
Unsere Vorstandskollegin Dr. Charlotte Michel-Biegel ergänzt hierzu die Forderung, dass grundsätzlich Verfahrensbeistände zu beauftragen sein sollten, die aus dem sozialen / sozialpädagogischen /
psychologischen / pädagogischem Spektrum sind.