Zum EGMR-Urteil gg die Ukraine Okt 2021:

Die Rechtssache betrifft die Nichtvollstreckung einer Umgangsregelung, die gegen Artikel 8 des Übereinkommens verstößt.


Unter „Begründung“ urteilt der EGMR wie folgt:

 

Unter Satz 29:

„Der Gerichtshof wiederholt, dass der gegenseitige Genuss der Gesellschaft von Eltern und Kindern ein grundlegendes Element des "Familienlebens" im Sinne von Artikel 8 der Konvention darstellt (siehe, neben anderen Behörden, K. und T. gegen Finnland [GC], Nr. 25702/94, § 151, ECHR 2001-VII). Die allgemeinen Grundsätze zu den positiven Verpflichtungen des Staates in Bezug auf den Schutz der Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern sind in Vyshnyakov v. Ukraine (Nr. 25612/12, §§ 35-37, 24. Juli 2018, mit weiteren Verweisen) dargelegt.“

 

Unter Satz 30:

„In Anbetracht der Tatsache, dass die positive Verpflichtung in diesem Bereich keine Ergebnis-, sondern eine Mittelverpflichtung ist (siehe Vyshnyakov, a. a. O., Rn. 36), muss der Gerichtshof prüfen, ob die inländischen Behörden ausreichende Schritte unternommen haben, um die gerichtliche Entscheidung vom 20. Februar 2013 über die Regelung des Umgangs mit den Kindern durchzusetzen.“

 

Unter Satz 31:

„Das Gericht stellt fest, dass sich die Intervention der Gerichtsvollzieher während des Vollstreckungsverfahrens im Wesentlichen darauf beschränkte, über erfolglose Treffen und die Weigerung des Kindes, den Beschwerdeführer zu sehen, zu berichten. Auf die Beschwerden des Beschwerdeführers hin rügten die inländischen Gerichte die Art und Weise, in der das Vollstreckungsverfahren von den Gerichtsvollziehern durchgeführt wurde (siehe oben, Randnrn. 13 und 14).“

 

Unter Satz 32:

„Das Gericht ist der Auffassung, dass ein derart begrenztes Vorgehen der Gerichtsvollzieher nicht ausreichend war. Es hat nicht den Anschein, dass die Behörden während des Vollstreckungsverfahrens jemals Vorkehrungen für die freiwillige Befolgung des Urteils in Erwägung gezogen haben, z. B. durch die Entwicklung einer umfassenden Vollstreckungsstrategie, einschließlich einer gezielten Unterstützung des Kindes, das offensichtlich Anzeichen einer elterlichen Entfremdung zeigte (siehe hierzu Gen u. a./Ukraine ([Ausschuss], Nr. 41596/19 und 42767/19, § 66, 10. Juni 2021). Es bleibt unklar, inwieweit die Kinderbetreuungs- und Familiendienste in diesem Zusammenhang hätten einbezogen werden können und ob eine Familienmediation hätte in Anspruch genommen werden können (siehe Vyshnyakov, a.a.O., § 43). Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass das Recht eines Kindes, seine eigene Meinung zu äußern, nicht so ausgelegt werden sollte, dass es Kindern tatsächlich ein bedingungsloses Vetorecht einräumt, ohne dass andere Faktoren berücksichtigt werden und eine Prüfung zur Bestimmung des Kindeswohls durchgeführt wird; darüber hinaus gebieten diese Interessen normalerweise, dass die Bindungen des Kindes zu seiner Familie aufrechterhalten werden müssen, außer in Fällen, in denen dies seiner Gesundheit und Entwicklung schaden würde (siehe A.V. gegen Slowenien, Nr. 878/13, § 72, 9. April 2019, mit weiteren Hinweisen). In der Tat hielt es das inländische Gericht im Dezember 2019 trotz des Widerwillens des Kindes, seinen Vater zu sehen, für erforderlich, die Umgangsregelung zwischen dem Kind und der Beschwerdeführerin umzusetzen (siehe Rdnr. 17 oben).“

 

Unter Satz 33:

„Abgesehen davon kann, auch wenn eine freiwillige Zustimmung vorzuziehen ist, die festgefahrene Haltung, die die Eltern in solchen Fällen häufig einnehmen, eine solche Zustimmung erschweren, so dass in bestimmten Fällen auf verhältnismäßige Zwangsmaßnahmen zurückgegriffen werden muss (siehe Vyshnyakov, oben, § 43, mit weiteren Hinweisen). Es deutet jedoch nichts darauf hin, dass solche Zwangsmaßnahmen von den Behörden in ausreichender und rechtzeitiger Weise ergriffen wurden (vgl. Kuppinger gegen Deutschland, Nr. 62198/11, § 105, 15. Januar 2015).“



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EGMR-Urteil gg Ukraine Oktober 2021 deutsch
2021-10-14-EGMR-12962-19-V-vs-Ukraine-En
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